20. Juli 2025
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Schweigen ist auch eine Antwort

Wie die Stadtverwaltung auf eine einfache Presseanfrage ausweicht – und warum das Folgen für das Vertrauen der Bürger hat

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In der Rütgers-Siedlung wird der Sportplatz als solcher aufgegeben und zurückgebaut. Die Stadt liefert in einer Nacht- und Nebelaktion 30 sogenannte "Tiny-Häuser" an und parkt sie auf dem Werksgelände von Rain Carbon zwischen. In der Siedlung wird spekuliert, was es damit auf sich hat. Presse und Bürger spekulieren. Es sind widersprüchliche Informationen im Umlauf. Auch CASNews berichtet bereits Anfang März 2025. Das ist die Ausgangslage in Rauxel.


Tiny Houses auf dem Werksgelände von Rain Carbon.
Bild: Tiny Houses auf dem Werksgelände von Rain Carbon, © Nils Bettinger


Ein Chalet-Dorf auf dem Gelände des alten VfR-Stadions – 30 Module, die laut Stadt „nicht zum Wohnen gedacht“ sind, aber irgendwie dann doch bewohnt werden sollen. Verwirrend? Findet CASNews auch. Deshalb hat CASNews nachgefragt – konkret, schriftlich, höflich. Die Antwort: Ausweichend. Vage. Seit dem 27. Mai: Funkstille. Das Rathaus schweigt – und beantwortet unsere Fragen nicht.


Dass Fragen unbeantwortet bleiben, ist bedauerlich. Dass es hier um die Zukunft eines Quartiers und die Unterbringung geflüchteter Menschen geht, macht das Schweigen aber nicht nur unhöflich, sondern politisch relevant. Denn während Gerüchte durchs Netz geistern und Bürgerinnen und Bürger sich übergangen fühlen, bleibt die Stadt in vornehmer Zurückhaltung.


Die sieben Fragen von CASNews an die Verwaltung waren einfach: Kennt die Stadt den veröffentlichten Plan? Ist er aktuell? Wie viele Module sind bewohnbar? Gibt es Entwürfe mit dem Arbeitstitel „Chalet-Dorf“? Was passiert nach dem Auslaufen der Notunterkunft in Habinghorst? Gibt es Absprachen mit Land oder Bezirksregierung? Was stimmt an den öffentlich gemachten Aussagen, was nicht?


Die Antwort der Stadt: Der gezeigte Plan sei nicht aktuell. Die Aussagen der Ruhr Nachrichten stammten nicht von der Pressestelle. Es gebe viele Entwurfsstände und Begriffe. In den meisten Modulen sei keine Übernachtung vorgesehen – mehr könne man nicht sagen. Keine Zahlen, keine Pläne, keine Perspektive. Nur: Was alles nicht von der Stadt kommt.


So funktioniert keine verantwortungsvolle Bürgerkommunikation. Wenn selbst auf direkte, sachliche Presseanfragen nur Abwehr kommt, hat das nichts mit Verwaltungsgeheimnissen zu tun – sondern mit einer Haltung, die kritische Fragen nicht als Teil demokratischer Öffentlichkeit begreift.


In der Rütgerssiedlung haben sich in den letzten Wochen Anwohner gemeldet, die verunsichert sind. Sie bitten um Aufklärung. CASNews kommt dieser Bitte nach – das ist unsere Aufgabe. Wir sind kein Medienkonzern, wir sind CASNews – ein lokales Medium aus der Stadt, für die Stadt. Unsere Redaktion ist entstanden, weil kostenlos zugängliche lokale Informationen nicht mehr selbstverständlich sind.


Und genau deshalb ist es so irritierend, wie die Verwaltung mit CASNews umgeht. Sie muss die Arbeit der Redaktion nicht mögen – aber sie muss sie respektieren. CASNews stellt die gleichen Fragen wie andere Medien. Das Informationsrecht der Bürger hängt nicht davon ab, ob ein Redakteur ein Volontariat gemacht hat oder nicht.


Besonders pikant wird es, wenn man auf den politischen Kontext schaut: Bürgermeister Rajko Kravanja, der die Kommunikation der Verwaltung verantwortet, bewirbt sich erneut als SPD-Kandidat. Und so fällt auf: Informationen, die offiziell erst Ende Mai publik werden, kannten SPD-Kandidatinnen offenbar schon zu Ostern. Sie gingen mit diesen Infos von Tür zu Tür – und machten Wahlkampf damit.


Am 28. Mai dann ein SPD-Bürgerspaziergang mit Bürgermeister und Verwaltung – dort wird nicht nur über die Rütgerssiedlung gesprochen, sondern gleich auch noch die Baugenehmigung für den neuen Hellweg-Baumarkt verkündet. Auf einer parteipolitischen Veranstaltung, wohlgemerkt. Dass die Verwaltung hier nicht deutlich trennt, was städtisch und was parteipolitisch ist, ist kein gutes Zeichen.


Die Strategie dahinter wirkt durchschaubar: Informationen werden zunächst in Wahlkampf-Settings gestreut, erst dann offiziell kommuniziert. Das ist keine moderne Bürgerbeteiligung, das ist Steuerung von Öffentlichkeit mit parteilichem Beigeschmack.


Eine souveräne Verwaltung würde anders handeln: offen, transparent, unabhängig vom Wahlkampfkalender. Sie würde alle Medien gleich behandeln – und alle Bürger frühzeitig informieren. Und sie würde verstehen, dass lokaler Journalismus ein demokratisches Korrektiv ist, kein Störfaktor.


CASNews wird keine großen Ressourcen in diese Recherche stecken können – das wissen wir, und das sagen wir offen. Aber als CASNews sehen wir den Widerspruch: Wenn es um kritische Fragen geht, bleiben Mails unbeantwortet. Wenn es aber am 4. Juni zur offiziellen Informationsveranstaltung kommt, wird man von CASNews erwarten, dass wir neutral berichten. Dann ist CASNews wieder „Presse“ genug. Doch Journalismus beginnt nicht beim Mitschreiben auf Podien – er beginnt mit dem Fragenstellen. Und das wird CASNews weiterhin tun.


Fazit: Wer ernst genommen werden will, muss auch andere ernst nehmen. Wenn die Stadt Bürger nur dann informiert, wenn es ihr politisch passt, beschädigt sie Vertrauen – und verfehlt ihren Auftrag. Antworten zu verweigern ist kein Ausdruck von Stärke. Es ist ein Armutszeugnis für die Kommunikation einer Stadt, die eigentlich besser sein will.


Bildergalerie (6 Bilder)

  • Quelle(n): CASNews

Autor

Christian Reder

Christian Reder

Redakteur mit erweiterten Rechten.
Kann Artikel erstellen, prüfen und freischalten.

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